Musiktheater in fünf Teilen von Wolfgang Rihm
Libretto von Wolfgang Rihm nach einem Text von Heiner Müller
Programmheft (pdf)
Gemeinsam treten der Choreograf Valentin Alfery von den Hungry Sharks und die Regisseurin Florentine Klepper an, um Die Hamletmaschine, ein erbarmungsloses Triptychon eines Heldenschicksals von William Shakespeare, Heiner Müller und Wolfgang Rihm aus den Angeln zu heben und Seh- bzw. Hörgewohnheiten zu hinterfragen.
Das Gespenst des Vaters, das den Prinzen Hamlet auf seine lebensbestimmende Mission schickt, geht als Gespenst des Kommunismus um in den Ruinen von Europa. Marx, Lenin und Mao haben einen Auftritt als nackte Sopranistinnen. Und Hamlet und Ophelia verweigern sich der haltlosen Mechanik ihres Schicksals und streuen den Sand vom Sein oder Nichtsein einer echten Revolution gewaltsam ins Getriebe. Valentin Alfery und Florentine Klepper rücken die mechanische Körperlichkeit des Stoffs im Tanz in den Mittelpunkt des immersiven Raumbühnenerlebnisses: die Welt als Maschine, jeder Mensch ein Zahnrad.
Wolfgang Rihms Komposition erhebt den kleinen, nur neun Seiten umfassenden, aber bahnbrechenden Text von Heiner Müller zur Materialschlacht mit großem Orchester, Tonbändern, Licht, Massenjubel und einer Vielzahl von schauspielendem, schreiendem, singendem, kindlichem, totem Bühnenpersonal. Die Partitur ist ein Klassiker des Stilpluralismus, voll mit falschen Zitaten, widersprüchlich-unmöglichen Regieanweisungen und trockenem Witz.
Die Hamletmaschine als Form eines totalen Theaters, das die Fragen nach Sein oder Nichtsein überwindet, stürzt Ikonen und Vorbilder vom Sockel und holt die Apokalypse in die Gegenwart. TANZ_KASSEL, das Schauspiel- und das Musiktheaterensemble laden ein zu einem entlarvenden Höllentrip durch die europäische Geschichte: „Nieder mit dem Glück der Unterwerfung! Es lebe der Hass, die Verachtung, der Aufstand, der Tod!“, legt Heiner Müller seiner Anti-Heldin Ophelia in den Mund. Der Rest ist Schweigen.